Corporate Governance und Klimaschutz
- nulleinsTM brand creation
- 26. Aug. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Aug. 2024
Institutionellen Investoren kommt eine Schlüsselrolle dabei zu, den Klimawandel zu bewältigen. So hat der Weltklimarat dem internationalen Finanzsystem in seinem kürzlich veröffentlichten Bericht eine bedeutsame Rolle attestiert. Es sei ausreichend globales Kapital vorhanden, aber es gebe Hürden für die Umlenkung von Kapital in Klimamaßnahmen. Das Handelsblatt schreibt, die Greentech-Revolution habe längst begonnen, und Auslöser dieser Revolution seien auch die Finanzmärkte, die viel wirksamer auf den grünen Umbau der Wirtschaft dringen würden als so mancher Klimagipfel. Fast schon ein Klassiker ist das Zitat von Larry Fink, dem Blackrock CEO, der im Juli 2021 in einem FAZ-Interview sinngemäß das Thema Nachhaltigkeit als Teil des Risikomanagements bei der Kapitalanlage eingeordnet hat und die Frage, ob Blackrock die Welt retten wolle, verneinte und hinzufügte: „Die Finanzindustrie – ob man sie mag oder nicht - ist recht gut darin, Lösungen voranzutreiben, wenn sie ein Problem erkannt hat.“
Allerdings haben institutionelle Investoren kein Mandat, Sozial-, Wirtschaft-, oder Klimapolitik zu betreiben. Denn Versicherungen sind primär ihren Aktionären, Asset-Manager ihren Geldgebern und berufsständische Versorgungswerke ihren Mitgliedern verpflichtet. Und es gehört regelmäßig nicht zu deren Aufgaben, Nachhaltigkeit unter ihren Vorstandsmitgliedern genehmen politischen Gesichtspunkten zur Geltung zu bringen. Der Vorstand ist jedoch den Grundsätzen guter Unternehmensführung (Corporate Governance) verpflichtet. Und der weite Bereich der Corporate Governance bietet eine Reihe von Stellschrauben, um Klimaschutzzielen zu stärkerer Durchsetzung zu verhelfen.

Teil der Corporate Governance ist das Risikomanagement. Dabei gilt die Regel: Hohes Risiko verlangt hohe Rendite und geringes Risiko erlaubt geringe Rendite. Wenn nachhaltiges Investieren den Kapitalmarkt erfassen soll, muss es mehr als noch in der Vergangenheit gelingen deutlich zu machen, dass es sich dabei um eine besondere Form des Risikomanagements handelt. Der Schlüssel ist dabei die Bepreisung von ESG-Risiken, die zu einer geänderten Risikobewertung der Investoren führt. Vermögenswerte, die den Regularien nicht entsprechen, und für die deswegen stets höherer Aufwand entsteht, tragen das höhere Risiko, das sie zu einem Wertverlust bei ihrem Eigentümer führen. Die Bepreisung von ESG-Risiken führt damit zu höheren Kapitalkosten. Denn der Markt nimmt wegen des bestehenden Risikos einen Abschlag auf den Wert vor, was für potenzielle Erwerber mit einem Renditeaufschlag korrespondiert. So verstanden ist nachhaltiges Investieren eine Art Versicherung der Vermögenswerte. Diese Versicherung muss mit einer (Versicherungs-) Prämie und damit einem Renditeabschlag bezahlt werden. Und im Idealfall verbessert der Investor trotz eines finanziellen Verzichts die Risikoeffizienz seiner Investments.
Zentraler Hebel für den Vorstand einer Aktiengesellschaft hierzulande, den Klimaschutz zu stärken, bildet seine Verantwortung und Verpflichtung, ein angemessenes Risikomanagement in dem von ihm geführten Unternehmen zu etablieren. Dies gilt nicht nur für am Kapitalmarkt tätige institutionelle Finanzinvestoren, sondern vornehmlich und unabhängig von der Zugehörigkeit zu einzelnen Branchen auch und gerade für die Unternehmen der sogenannten Realwirtschaft. Folglich kann und muss der Vorstand einer Aktiengesellschaft im Rahmen seines Leitungsermessens schon heute ESG-Ziele verwirklichen. Die sogenannte Business Judgement Rule, die eine Pflichtverletzung des Vorstands für unternehmerische Entscheidungen ausschließt, schützt den Vorstand nur, wenn er alle relevanten Risiken einschließlich ökologischer und sozialer Nachhaltigkeitsrisiken angemessen identifiziert und abgewogen hat. Demgemäß sind Vorstandsmitglieder verpflichtet, gefährdenden Entwicklungen durch Klimarisiken im Rahmen ihrer allgemeinen Verantwortung zur Risikosteuerung zu begegnen.
Und nicht nur die Leitungsorgane der Unternehmen, sondern auch deren Aufsichtsgremien und deren Eigentümer können im Rahmen des geltenden Rechts maßgebliche Impulse für eine klimabewusste Unternehmensstrategie setzen. Finanzinvestoren, die im Rahmen des jeweils eigenen Risikomanagements der Kapitalanlagen Klimaschutz beachten, nehmen unmittelbaren Einfluss auf die Besetzung der Aufsichtsgremien und das Abstimmungsverhalten auf Hauptversammlungen. Global tätige Asset Manager wie Black Rock, Vanguard oder State Street ebenso wie aktivistische Hedgefonds machen regen Gebrauch von ihren Rechten als Gesellschafter. Klimarisiken sind für sie systemischer Natur. Sie können schwerwiegende negative Auswirkungen für das Finanzsystem und die Realwirtschaft haben und damit vielfältige Gefahren in einem diversifizierten Portfolio von Vermögenswerten institutioneller Investoren begründen.
Ob allerdings die drei größten Asset Manager der USA, die durchschnittlich 20 % an den S&P 500 Gesellschaften halten, durch ihre Definition von Risiko legitimiert sind, Nachhaltigkeit zu definieren, ist in den USA zum Politikum geworden. Vermögensverwalter sehen sich dort Bundesstaaten gegenüber, die ihnen gesetzlich untersagen, Gelder staatlicher Pensionskassen nach ESG-Kriterien anzulegen. Und zwar, weil diese darin den Versuch sehen, eine nicht demokratisch legitimierte ökologische Agenda der Vermögensverwalter am demokratischen Souverän vorbei durchzusetzen, und dabei die Rendite für ideologische Zwecke zu opfern. Dabei geht es um viel Geld: Die Pensionskassen des US-Bundesstaates Florida haben rund 220 Mrd. US-Dollar anzulegen.
Im Gegensatz dazu hat in Deutschland hat der Landtag von Baden-Württemberg kürzlich ein Gesetz verabschiedet, wonach Gelder der Versorgungsfonds und Rücklagen des Landes in Gesamthöhe von 10 Mrd. Euro nur noch in nachhaltige Finanzanlagen investiert werden dürfen, die das 1,5° Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens verfolgen. Baden-Württemberg hat damit als erstes Land der Bundesrepublik Deutschland neben den für die Kapitalanlage bisher geltenden Kriterien von Sicherheit, Rendite und Liquidität die Nachhaltigkeit als weiteres Grundprinzip bei Anlageentscheidungen umfassend gesetzlich etabliert.
Quelle: The Pioneer (20.04.2023)


